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Musik in und aus der "Großen Stadt" Teil 5
Text und Bild Sven Fandrich

Ida Sand „My Soul Kitchen“ im A-Trane
Am 27.01.2019 präsentierte Ida Sand ihr aktuelles bei ACT 2018 erschienenes Album „My Soul Kitchen“ im A-Trane Jazzclub in Berlin-Wilmersdorf. In dem kleinen Jazzclub gab es richtig auf die Ohren. Trotz der guten Auslastung von ca. 100 Personen war es für meinen Geschmack etwas zu laut. Die Raumakustik im Klub ist sicher nicht optimal, was den Eindruck noch verstärkte. Viele bedeutende Jazzmusiker haben den Klub, den es in dieser Form seit 1992 gibt, zu einer Institution für Berliner Jazzfreunde gemacht. Für das umfang- und abwechslungsreiche Programm wurde der Klub
mehrfach ausgezeichnet. Ida spielte das gesamte Programm ihrer LP und noch einige Zugaben. Wie auf der LP gefielen mir besonders die von ihr selbst geschriebenen ruhigen Titel am besten. Für meinen Geschmack war die Stimme von Ida am Abend mit der Auswahl der Coverversionen nicht kompatibel. Die Stimme der Schwedin war im Klub eher von der typisch hellen, klaren nordischen Ausprägung wie wir sie auch von anderen nordischen Kolleginnen kennen. Das Soulfeeling will sich im A-Trane nicht einstellen. Die bei Soulmusik erwartet erdige volle Stimme geht den Titel dann auch ab. Die Titelauswahl von Konzert und LP erscheint mir etwas unausgewogen.
Dabei haben die Titel aus ihrer Feder ein großes Potential. Ich finde daher, dass die Kombination ihrer Titel mit eher nicht zu ihrer Stimme passenden Soul- und Popsongs eine Fehlentscheidung war. Die musikalische Qualität ihrer Titel hätte ein komplettes Album aus eigener Feder verdient. Hätte sie sich (oder ihr Management) mehr Zeit gegönnt, so hätte wohl ein überragendes Werk entstehen können. Zu ihren Kompositionen passt ihre Stimme 100%ig. Für mich eine vergebene Möglichkeit.
Die Langspielplatte von ACT, nach dem Konzert am Ausgang erworben, rückt ihre Simmme dann duchaus in ein souligeres Licht. Auch von der LP passt ihre Simme zu den Eigenkompositionen am besten. Die Interpretation der eigenen 4 Stücke gelingt wunderbar und hier kann man ihr Soul in der Simme nicht absprechen. Aber bei den Coverversionen gelingt das leider nicht in gleichem Maße, mit Ausnahme von „It`s Your Voodoo Working“ und „Spooky“. Als Anspieltipp kann ich daher nur ihre Eigenkompositionen und o.g. Titel empfehlen. Die Produktion und der Klang sind wie bei ACT gewohnt auf hohem Niveau.
Platteninformation:
Ida Sand / Vokals, Piano & Wurlitzer; Jeper Nordenström /
Keys; Hendrik Janson / Electric Guitar /
Lars DK Danielsson / Electric Bass; Per Lindvall /
Drums & Percussion; Magnus Lindgren / Reeds
weiter Gastbeiträge z.B. Nils Landgren /
Trombone & Vocals (Titel B04)
Produktion: Nils Landgren & Siggi Loch
Arrangement: Ida Sand
Aufnahme: 31. 01.-02.02.2018; Atlantis Studio - Stockholm
Label: ACT, 2018, 33 rpm, 180g
Genre: Jazz, Soul, Pop
Ausführung: mit Downloadcode
Preis: 20,- EUR
Musik: 1 – Eigenkompositionen; 3 - Coverversionen
Klang: 2
Fertigung: 1
Malakoff Kowalski – und sein Plädoyer für die Freiheit und Vielfalt der Musik im Interesse des Konsumenten
Malakoff Kowalski alias Aram Pirmoradi wurde als Sohn persischer Eltern in Boston geboren. Er wuchs in Hamburg auf und lebt aktuell in Berlin. Er ist unter anderem als Filmkomponist tätig. Die Musik der zwei auf MPS veröffentlichten Alben „I Love You“ von 2015 und „My First Piano“ von 2018 wurde von ihm komponiert und produziert. Aufmerksam wurde ich auf seine Musik durch ein Radiointerview, auf meinem bevorzugten Sender, anlässlich der LP Release von „My First Piano“. Im Rahmen des Gesprächs kam unter anderen die Sprache auf seine Haltung zur kommerziellen Nutzung von Musik auf Streaming-Plattformen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich allenthalben von Musikern nur Stöhnen und Gejammer gehört. Die Ausnutzung der Künstler durch die Plattformbetreiben auf Grund sehr geringer Anteile für die abgerufenen Titel wird vorrangig von den Künstlern thematisiert.
Wie überrascht war ich einen Musiker zu hören, der die wunderbare Vielfalt, die uns die Streaming-Dienste ermöglichen feierte. Das vollständige Statement vom 4. Februar 2016 wurde unter dem Titel „Killt Streamingdienst den Plattenstar? Ein Plädoyer von Malakoff Kowalski“ bei SPEX.DE veröffentlicht. Absolut lesenswert! Hier einige prägende Auszüge die auch meine intensive Nutzung von TIDAL und Co. beleuchten. Dem Standpunkt der Künstlerunterdrückung setzt er folgende Argumente entgegen: „Aber nur selten, eigentlich fast nie, fällt der Blick auf die völlig neue Qualität des Zugangs zu Musik, der sich uns mit dem kommerziellen, legalen Streaming eröffnet hat.“ „Der Punkt ist, dass die Schönheit, die Freiheit, die unendliche Impulsivität und die enthemmte Suche nach genau der Musik, die man in genau diesem einen Moment sucht, eine Kraft hat, wie sie auch das Internet selbst entfaltete als es die analoge Welt revolutionierte.“ „Ich konsumiere Musik wie Medizin und Nahrung. Sie trägt mich, sie beschleunigt, sie beruhigt mich, sie bringt mich zum Weinen und zum Raven“. „Wenn ich nach einer Show, sagen wir in Zürich, mit einer halben Flasche Absinth im Blut durchs Weltall balanciere, mein Akku leer ist und ich dann aber mit Username und Passwort meine fuckin’ Spotify-Bibliothek auf einem fremden Computer öffnen und alles auflegen kann, wovon ich gerade träume, dann erscheinen mir Lizenzen und Urheberansprüche, Indie-Gehabe und wegrationalisierte Business-Class-Flüge für Executives und Heavy-Weight-Künstler unendlich weit weg von der Wirklichkeit, in der wir leben“. „Ein Mensch, der Musik machen möchte und muss, lässt sich ganz sicher nicht von einer vorübergehend finanziell nicht ganz so attraktiven Technik-Mode beeindrucken. (Gott, wer Musik macht, ist sowieso verrückt und hat schon lange mit allem abgeschlossen.) Ein Mensch aber, der Musik hören möchte und muss, der wird die besten Möglichkeiten seiner Zeit hierfür nutzen. Und bis auf weiteres sind das ganz sicher auch: Spotify & Co.“ Auszüge aus: „Killt Streamingdienst den Plattenstar? Ein Plädoyer von Malakoff Kowalski“ bei SPEX.DE
Das aktuelle Album „My First Piano“,
wohl von den Solo Piano Alben Chilly Gonzales inspiriert veröffentlicht Malakoff Kowalski in Erinnerung an sein erstes Klavier, wie in den ja selten gewordenen Liner Notes zu lesen ist. Und weiter „Seine Stücke sind so einfach und naiv komponiert wie Kinderlieder, aber auch voller Disonanzen und unvorhergesehener Wendungen, die zeigen, dass ein erwachsener Geist am Werke ist.“ Das mag sein, seine Musik in der hier vorliegenden reduzierten Art weiß zu gefallen. Die 10 Kompositionen sind abwechslungsreich und die Platte ließe sich mit Genuss durchhören. Ja, wenn da nicht ein gravierendes Fertigungsproblem vorliegen würde. Selbst die Dritte der bestellten Scheiben gibt unbeschreiblich viele Kackser und Verzerrungen wieder vor einem dauerhaften Rauschteppich. Das scheint aus meiner Sicht ein Problem, besonders von Klaviereinspielungen zu sein, zumindest tritt es hier überdeutlich zu Tage. Ich stelle diese Probleme bei all meinen Ludovico Einaudi Platten, wie auch bei der „Solo Piano“ LP von Chilly Gonzales fest. Vinyl liebt offenbar das Soloklavier nicht. Die Reduktion auf ein Instrument und das Spiel mit Klang und Pause lässt die mechanische Rillenabtastung alt aussehen, besonders bei Aufnahmen mit geringem Pegel. Schade eigentlich. Musikalisch möchte ich die LP durchaus empfehlen, es ist ja nicht ausgeschlossen ein besseres Exemplar als meine 3 Vorlagen zu ergattern. Viel Glück!
Platteninformationen
Komposition und Produktion: Malakoff Kowalski
Aufnahme: 27. Oktober – 6 November,
vermutlich 2017 at Brunnen International, Berlin
Label: MPS, Universal Music Publ.
LP 180g, 33 rpm, Liner Notes und Infos zu
jedem Stück auf der Innenhülle
Genre: Solo Klavier
Preis: 18,- EUR
Musik: 2
Klang: 2-3
Fertigung: 4
Malakoff Kowalski „I Love You“
Der Man mit Lotsenmütze veröffentlichte 2015 sein erstes Album bei MPS. Es kommt daher wie ein bunter Blumenstrauß. Wobei die einzelnen Blumen auch für verschieden Städte oder Stimmungen stehen können. Abwechslungsreicher kann es wohl kaum zugehen auf einer Platte, die doch eher spärlich instrumentiert ist und doch daraus seine Spannung schöpft. Vor dem Hintergrund des Filmmusikers fühlt man sich mit der Musik sofort in eine Tragikomödie versetzt.
Der Titel des Albums „I Love You“ findet keine Entsprechung in einer Titelzeile. Es ist vielmehr die Absicht der Musik das Gefühl zu umschreiben, sich wohl zu fühlen und umarmt zu werden. Die Scheibe wurde im Wesentlichen durch seine Arbeit in den USA inspiriert, wo der Großteil der Familie von Malakoff Kowalski auch heute noch lebt. Nun liegt eine Platte vor mit amerikanischem Einfluss. Man glaubt Einflüsse von Calexico oder Howe Gelb zu hören, was dem Album diesen amerikanischen Touch gibt. Ich mag Calexico und Howe Gelb sehr und das kann ich auch über dieses Kleinode sagen. Er war nach eigenen Aussagen bei der Entwicklung seiner Kompositionen verliebt und wollte seiner positiven Stimmung durch die Musik Ausdruck verleihen. Das ist gut gelungen. Die Aufnahme ist gut, der Sound klar und transparent und die Produktion des Vinyls ohne große Störungen. Die Scheibe macht Spaß und bei dem günstigen Preis kann man ruhigen Gewissens zugreifen.
Platteninformationen
Texte, Komposition, Ausführung und Produktion:
Malakoff Kowalski; Aufnahme: in Los Angeles,
San Francisco, Berlin, Hamburg und Köln
Label: MPS, Universal Music Publ.
LP 180g, 33 rpm, Liner Notes im Textheft von
Helene Hegemann
Genre: Songwriter-, Jazz- und Filmmusik
Preis: 18,- EUR
Musik: 2
Klang: 2
Fertigung: 2




